Roter Ritter gegen Rechts Dezember 2020

17. Dezember 2020

Treffen mit dem Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft München

Seit Juli 2018 gibt es bei den drei Generalstaatsanwaltschaften Antisemitismusbeauftragte. Sie sollen sicherstellen, dass eine antisemitische Motivation bei Straftaten auch erkannt wird. Dazu gibt es einen Leitfaden, der Orientierung bietet, aber sicher noch verbesserungsfähig ist.

Am 09. November habe ich mich bei Oberstaatsanwalt Andreas Franck über die Arbeit des Antisemitismusbeauftragten bei der Generalstaatanwaltschaft München informiert.

Die zunehmende Verbreitung antisemitischer Weltbilder in den sozialen Medien und damit einhergehend die Zunahme antisemitischer Straftaten macht diese Arbeit dringend nötig. Wir brauchen ein wirkungsvolles Zusammenspiel von Aufklärung, klarer politischer Positionierung und konsequenter Strafverfolgung. Dafür setze ich mich weiterhin ein.

Treffen mit dem Initiator:innenkreis Zweiter NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern

Getragen von den Angehörigen der Opfer der Terrorserie in München und Nürnberg gibt es seit dem Herbst eine Petition zur Einsetzung eines neuen NSU-Untersuchungsausschusses durch den Bayerischen Landtag.

Zusammen mit meinen ehemaligen Landtagskollegen Franz Schindler, Vorsitzender des ersten bayerischen Untersuchungsausschuss, und Uli Grötsch, der Mitglied des zweiten Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Terrorserie war, habe ich mich via Videokonferenz mit den Sprecher:innen des Anliegens getroffen und offene Fragen besprochen.

Die rechtlichen Grundlagen für Untersuchungsausschüsse sind in Bayern deutlich anders gestaltet als auf Bundesebene. Daher muss die Debatte über einen zweiten bayerischen Untersuchungsausschuss auch in Detailfragen sehr gründlich geführt werden. Es kommt hier vor allem auf den Fragenkatalog an. Inhalt kann nur bayerisches Regierungshandeln sein, weshalb V-Personen des Bundes als Gegenstand ausscheiden. Geladene Zeug:innen aus Polizei und Behörden müssen auch nur zu Fragen antworten, die im Fragenkatalog abgebildet sind.

Querdenker beuten Anhänger politisch und materiell aus

Auf Vorschlag der Freien Wähler gab es am 24. November im Landtag eine aktuelle Stunde zu den Fake News, die im Rahmen der Corona-Pandemie im Umlauf sind. Für eine solche Pandemie wie Corona gab es keine Vorbilder oder Leitplanken, Entscheidungen waren gerade zu Anfang oft widersprüchlich. Eine solche Situation weckt natürlich Sorgen vor einem Kontrollverlust. Daraus ergibt sich auch die besondere Verantwortung der Regierungen, der Behörden, aber auch der Parlamente, ihre Entscheidungen transparent und immer unter Beteiligung der Betroffenen zu gestalten.

Was wir aber auf der Straße bei den "Querdenkern" sehen, ist ein Protest, der immer mehr gegen die demokratische Ordnung und die Rechtsstaatlichkeit gelenkt wird. Wie wir es von Sekten kennen, wird dann mit immer neuen, erfundenen Geschichten und Verschwörungen versucht, das Publikum bei der Stange zu halten und immer tiefer in den eigenen Sumpf zu ziehen. Denn je tiefer die Anhänger in den Propagandalügen stecken, umso ausbeutbarer sind sie auch – und zwar materiell wie politisch.

Für uns Demokrat:innen muss klar sein, dass wir die Wortführer:innen nicht auch noch dadurch aufwerten, dass wir uns Podien mit ihnen teilen. Doch gerade das war bei den Initiatoren der Aktuellen Stunde der Fall mit dem erwartbaren Ergebnis.

Problematisch ist auch das Lavieren unserer Sicherheitsbehörden. In zahlreichen Tweets habe ich früh das bayerische Innenministerium auf die Gefährlichkeit etwa des "QAnon"-Kultes hingewiesen. Dessen deutsche Anhänger:innen haben etwa vor dem Reichstag und der russischen Botschaft eindeutig gezeigt, wie wenig sie von Demokratie, Demokratieprinzip und Rechtsstaatlichkeit halten. Innenminister Herrmann reagiert öffentlich gerne mit Besorgnis, tatsächlich ist es aber so, dass "QAnon" kein Beobachtungsobjekt ist. Ich fürchte, die Sicherheitsbehörden wiederholen hier die Fehler aus der jahrelangen Verharmlosung der Reichsbürger.

Anfrage Straftaten bei BIA-Kundgebung kann das Innenministerium nicht beantworten

Bei der Kommunalwahl im März flog die rechtsextreme Bürgerinitiative Ausländerstopp in München und Nürnberg aus den Stadträten. Vor dem Wahltag überzogen die Neonazis die Landeshauptstadt mit beinahe täglichen Kundgebungen, die auch gerne mal den halben Tag dauerten. Anwesende Journalist:innen berichtete von einer ganzen Reihe von Anzeigen, die die Neonazis gegen Protestierende stellten, die ihren Unmut gegen die unsäglichen Botschaften auf verschiedene Art und Weise äußerten. Der frühere NPD-Chef Karl Richter sprach wohl bei Gericht von allein 40 Strafverfahren, die er eingeleitet habe.

Ich wollte von der Staatsregierung genaue Zahlen erfragen und wie sie jeweils in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) eingeordnet wurden. Ich befürchte, dass die Vorgänge nächstes Jahr die Statistik verzerren werden. Die PKS ist eine Eingangsstatistik zur Arbeit der Polizei, trotzdem wird sie gerne als Ausweis der Kriminalitätsentwicklung genommen. Unabhängig, ob sich die Vorwürfe später bestätigen, als unhaltbar erweisen oder die Verfahren aus sonstigen Gründen eingestellt werden, dürften die massenhaften Anzeigen, die die Neonazis gegen Protestierende gestellt haben, als „links motivierte Straftat“ in der PKS landen.

Leider sah sich das Innenministerium nicht im Stande, hier Auskunft zur Zahl zu geben, um das besser einordnen zu können. Auch nicht, nachdem wir ihnen noch die jeweiligen Daten zu den Infoständen der BIA nachgeliefert hatten. Zu aufwendig, so die Antwort.

Zudem hat die Statistik einen weiteren Fehler in der Konstruktion, die sich aus der Extremismus-Theorie speist. Wer sich gegen Neonazis und ihre unsäglichen Botschaften stellt, ist erst mal Demokrat und noch lange kein Linksextremist.

Demokratie-Euro, Expertenkreis mit Betroffenen, Verbot von PI NEWS

Im Plenum behandelt wurde auch unser Antragspaket Freistaat 21 für eine moderne Bürgerdemokratie. Ich war federführend am Antrag 4 beteiligt „Demokratie stärken, Zweiflerinnen und Zweifler überzeugen, Überzeugungstäterinnen und Überzeugungstätern die Grundlagen entziehen!“

Eine zentrale Forderung in dem Paket war der „Demokratie-Euro“. Wir wollen die Fördersumme für zivilgesellschaftliche Projekten, die sich der Stärkung unserer demokratischen Werte widmen, auf einen Euro pro bayerischen Bürger erhöhen. Momentan investiert der Freistaat hier nur einen Bruchteil.

Ein mögliches Projekt wäre die bessere Förderung zivilgesellschaftlicher Aussteigerprogramme für Rechtsextremisten. Das wäre bitter nötig. Mit der Neugestaltung des Bundesprogrammes Demokratie leben wanderte die Zuständigkeit für die Aussteigerprogramm in die Verantwortung der Länder. Das hat z.B. den Fortbestand von EXIT Deutschland bedroht. In Bayern gibt es bisher nur das Programm des Verfassungsschutzes. Hier muss zweigleisig gefahren werden, um Ausstiege aus dem Rechtsextremismus zu erleichtern, ohne den möglichen Interessenskonflikt des Verfassungsschutzes, der in einem Ausstiegswilligen vielleicht eine neue Quelle sieht. Bei der Deradikalisierung von Salafisten setzt der Freistaat übrigens schon länger auf zivilgesellschaftliche Initiativen.

Ebenso fordern wir die Einrichtung von Unabhängigen Expertenkreisen zu Antisemitismus, Antiziganismus und LGBTQI-Feindlichkeit. Vorbild sind die beiden Expertenkreise zu Judenfeindlichkeit auf Bundesebene. Auf Augenhöhe kommen hier Wissenschaft, Staat und Betroffene zusammen und beraten gemeinsam Verbesserungen. Wir halten diese Form der Verständigung für zukunftsweisend, bisher werden diese Maßnahmen von oben herab in den Ministerien festgelegt. Besonders die Sicht der Betroffenen ist hier dringend nötig. Mit den drei gewählten Themen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wurden Bereiche gewählt, in denen die Diskriminierungserfahrungen und Bedrohungen unterschiedliche Verursacher haben dürften.

Schließlich haben wir auch ein Verbot von Hassplattformen wie dem Blog Politically Incorrect (PI NEWS) gefordert, bzw. die finanzielle Sanktionierung von Personen und Firmen, die dort werben. Von der Plattform aus wurde immer wieder Cybermobbing organisiert und Personen an den digitalen Pranger gestellt. Auch die Adresse des ermordeten Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke stand in den Kommentarspalten zu Hetzartikeln, die sich gegen ihn richteten.

AfD-Fraktion macht sich zum Opfer und will alle beobachten, die die Partei nicht mögen

In erster Lesung kam ein Gesetzentwurf der AfD zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes in den Landtag. Die AfD beabsichtigt, die Beobachtung von rechtsextremen Gruppen zu erschweren. Wohl aus Eigeninteresse. Hinschauen soll der Verfassungsschutz dagegen bei Initiativen, die der AfD kritisch gegenüberstehen.

Rede zum Gesetzentwurf der AfD zu Änderungen beim Verfassungsschutz
Rede zum Gesetzentwurf der AfD zu Änderungen beim Verfassungsschutz

Anfrage rechtsextremer Reservist bei Corona-Demos

Bei den Corona-Demos in Berlin im August drängte sich ein Mann in Bundeswehr-Uniform vor die Kameras und attackierte verbal Polizeibeamte. Recherchen brachten ans Licht, dass der Mann, Ronny B., aus Mittelfranken, Reservist ist und trotz einer rechtsextremen Vergangenheit Soldat werden konnte. Fotos zeigen ihn im Kreise des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier in Afghanistan. Ronny B. trat während der Corona-Krise auch schon auf Kundgebungen von Attila Hildmann auf, wurde mit Reichsflagge gesehen und hege Umsturzfantasien. Ich wollte vom Innenministerium wissen, wie denn Ronny B. trotz seiner Vergangenheit Soldat werden und damit auch die ganzen Spezialausbildungen durchlaufen konnte, die für einen Auslandseinsatz nötig sind.

Vom Innenministerium gab es auf die berechtigten Fragen keinerlei Antwort. Die Behörde sei kein Archiv, so die widerborstige Antwort. Der Minister wollte nicht mal die Fragen nach der damaligen und heutigen Rechtslage beantworten.

AfD stellte Menschenrechte unter Nützlichkeitserwägungen

Ins Plenum kam auch eine Interpellation (Große Anfrage) der AfD zu den Kosten der Zuwanderung. Bekanntermaßen das Hauptthema der rechtsextremen Landtagsfraktion. Ich habe für die SPD-Fraktion erwidert.

Rede zur Interpellation der AfD "Kosten der Zuwanderung"
Rede zur Interpellation der AfD "Kosten der Zuwanderung"

Keine Befehlsverweigerung bayerischer Beamter bei Einsätzen in Berlin

Bei Corona-Versammlungen in Bayern, die nach den beiden großen Berliner Corona-Demonstrationen stattfanden, wurde die Behauptung verbreitet, die Polizei sei in weiten Teilen auf der Seite der Querdenker. Festgemacht wurde das an Gerüchten, bayerische Polizisten hätten sich in Berlin gegen Befehle gestellt, wenn es darum ging, die Versammlungen aufzulösen und andere Maßnahmen durchzuführen. Das war laut Antwort der Staatsregierung auf meine Anfrage nicht der Fall. Wie bei vielen Behauptungen aus dem “Querdenken”-Spektrum handelte es sich auch hier um eine reine Falschbehauptung. (Anfrage ohne Drucklegung, Zusendung auf Anfrage).

Ich bleibe dran.

Rote Grüße

Ihr/Euer Florian Ritter